„Wir fordern einen verantwortungs- und respektvollen Umgang mit Daten“

08 Feb 2019
„Wir fordern einen verantwortungs- und respektvollen Umgang mit Daten“
Copyright: Valentine Auer

Von Valentine Auer

Am 30. Januar waren die Diskursteilnehmer*innen Johanna Onischke, Dr. Josef Scheiber, Ludwig Krüger und Elisabeth Späth beim Lehrer (und ebenfalls Diskursteilnehmer) Julian Augusteyns zu Besuch am Staatlichen Luitpold-Gymnasium München. Einen Tag lang wurde mit knapp 50 Schüler*innen der 11. Jahrgangsstufe über Big Data im Gesundheitswesen diskutiert.

Abhängigkeit, Aufklärung, Kontrolle, Wertekonflikte, Solidarität, Anonymität. Das sind nur einige der Begriffe, die an den Pinnwänden im Lichthof des Staatlichen Luitpold-Gymnasiums München zu lesen sind. Sie sind die Grundlage vieler vorangegangener Gespräche und Diskussionen im Rahmen des Projekttages, durchgeführt vom Tutzinger Diskurs „Big Data im Gesundheitswesen“. Insgesamt knapp 50 Schüler*innen der 11. Jahrgangsstufe beschäftigen sich an diesem Tag mit ethischen Fragestellungen und mit den Chancen, Risiken und Herausforderungen von Big Data im Gesundheitswesen. Chancen und Risiken, die sich für Individuen ebenso ergeben wie für die Gesellschaft.

Die Ziele des Projekttages wurden dabei vom Diskursteam hoch angesetzt: Die Schüler*innen sollen nach dem Workshop erklären können, was Big Data bedeutet, unterschiedliche Möglichkeiten und Verfahren der Datenerhebung im Gesundheitswesen kennenlernen, aber auch Konfliktlinien zwischen Skeptiker*innen und Befürworter*innen beschreiben oder Interessengruppen und Positionen zu Big Data in der Medizin benennen und sich in diese Perspektiven hineinversetzen können.

Hört man den Schüler*innen des Luitpold-Gymnasiums beim Diskutieren zu, scheinen sie sich recht schnell mit dem Thema anzufreunden: „Welche Forderungen wir an die Politik haben?“, fragt zum Beispiel ein Schüler sich selbst und seine Kolleg*innen. Er sitzt in einem der Räume, in denen insgesamt acht verschiedenen Gruppen diskutieren und einen Messestand vorbereiten. Er gehört zur Gruppe Philosophie & Ethik. Mögliche Antworten auf seine Frage wurden nach langen Diskussionen gefunden. Diskussionen, die philosophische und ethische Begriffe ebenso klären, wie schließlich auch konkrete Forderungen: Ein Lehrstuhl zum Thema müsse errichtet werden, denn es braucht eine bessere wissenschaftliche Erforschung und stärkere Aufklärung. Dafür müssten auch Journalist*innen eingebunden werden, die das Thema verständlich vermitteln.

Eine Gruppe weiter hört man die Frage „Wie sieht es denn eigentlich mit Diskriminierung in Job und Schule aus?“. Gemeint sind damit mögliche Folgen, sollten personenbezogene Gesundheitsdaten in die falschen Hände gelangen, zum Beispiel in die Hände von Arbeitgeber*innen. Ihre Lösung: Die Forschung sollte Gesundheitsdaten nutzen können, jedoch mit pseudonymisierten Daten arbeiten. Damit wird die Identifikation einzelner Personen erschwert. Einen verantwortungsvollen Umgang mit Daten fordert auch die Gruppe, die sich mit benachteiligten Menschen beschäftigt. „Es sind rechtliche Rahmenbedingungen notwendig, um Menschen vor Datenmissbrauch zu schützen. Wir fordern einen verantwortungs- und respektvollen Umgang mit Daten“, erklärt eine Schülerin aus dieser Gruppe.

Überall wird geschrieben, durchgestrichen, gelesen, ausgebessert, neu geschrieben, aber vor allem diskutiert. Und das auf einem hohen Niveau. Denn schon in den Stunden zuvor haben sich die Schüler*innen mit dem Thema beschäftigt. So begann der Tag mit einem Input vonseiten des Diskursteams zu den Fragen, was der Begriff „Big Data“ überhaupt bedeutet und was Big Data im Gesundheitswesen leisten kann. Danach waren die Schüler*innen gefragt. Etwas mehr als 90 Minuten hatten sie Zeit, um zu den Oberthemen „Krankenkassen“, „Pharmaindustrie“, „Gesundheitspolitik, Regierung & Macht“, „Philosophie & Ethik“, „Recht & Datenschutz“, „Benachteiligte Gruppen“, „Soziologie & Bildung“ sowie „Technikentwicklung, Fitness & Prävention“ einen Messestand vorzubereiten.

Die Ergebnisse der einzelnen Gruppen werden im Rahmen eines „Gallery Walks“ im Lichthof des Gymnasiums vorgestellt: In kleinen Gruppen wandern Vertreter*innen der einzelnen Messestände, aber auch Lehrer*innen und Diskursteilnehmer*innen von einem Stand zum anderen, um dort die Ergebnisse zu präsentieren und etwaige Fragen zu beantworten. So kann jede Person einmal vortragen und jeder Messestand besucht werden. Und auch hier zeigt sich das große Interesse der Schüler*innen: Immer wieder entwickeln sich nach den Präsentationen Diskussionen zu den jeweiligen Themen. Es wird nach Solidarität gefragt, danach welche Schritte notwendig sind, damit niemand ausgeschlossen wird. Schüler*innen erkundigen sich, welche philosophischen Annäherungen es zu Big Data gibt und geben kann – oder wie die 2018 in Kraft getretene EU-Datenschutz-Grundverordnung dem Datenmissbrauch vorbeugt.

Fragen, die auch bei der abschließenden Podiumsdiskussion weiter diskutiert werden. Zwölf Menschen sitzen auf diesem Podium. Schüler*innen als auch Diskursteilnehmer*innen des Tutzinger Diskurses. Alle treten als Expert*innen auf. Auch hier bewegen sich die Fragen, die diskutiert werden, von philosophischen Grundbegriffen über Maßnahmen, um den Datenschutz sicherzustellen, bis hin zu Entwicklungen, die durch Big Data vorangetrieben werden können: „Kann man neue Arzneimittel durch Big Data entwickeln?“, „Man hört immer wieder von Datenbetrug, wer bekommt die Daten überhaupt?“, „Wie kann man den Begriff des Bewusstseins im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz erklären?“.

Am Ende der Diskussion geben die Schüler*innen Antwort darauf, welche Kompetenzen sie benötigen, um sich in der Welt von Big Data zurechtzufinden. Denn auch die Diskursteilnehmer*innen wollen an diesem Tag dazulernen, das Wissen und die Sichtweisen junger Menschen zu diesem Thema kennenlernen, um darauf aufbauend Bildungsmaßnahmen zu formulieren. Alle Schüler*innen auf dem Podium sind sich einig: Der Tag war wichtig, er hat geholfen, das Thema präsent zu machen, da es im Unterricht nicht behandelt wird. „Die Gesellschaft muss sensibilisiert werden und dafür muss auch die Technikentwicklung von vornherein miteinbezogen werden“, erklärt ein Schüler. Eine Mitschülerin bestätigt und ergänzt: „Die Beschäftigung mit Big Data und Datenschutz sollte Teil des Lehrplans sein. Es war ein wichtiger und sinnvoller Tag. Ich denke aber, dass die Themen nicht nur für die 11. Klasse interessant sind, sondern die Beschäftigung damit bereits früher beginnen muss.“

 

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