Von Valentine Auer
Während in Deutschland wieder weniger Geflüchtete ankommen und auch innerhalb der EU die Asylanträge zurückgehen, werden weltweit immer mehr Menschen vertrieben. Laut den aktuellen Zahlen des UNHCRs waren 2017 rund 68,5 Millionen Menschen aufgrund von Konflikten, Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen auf der Flucht – im fünften Jahr in Folge ein Rekord. Anlässlich des Weltflüchtlingstags werfen wir einen Blick auf Vertriebene weltweit. 85 Prozent von ihnen leben dabei in den sogenannten Entwicklungsländern und mehr als die Hälfte der Geflüchteten sind Kinder und Jugendliche.
68,5 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht
Rund um den Weltflüchtlingstag veröffentlicht das UNHCR jährlich den Bericht „Global Trends – Forced Displacement“. Laut diesem mussten 2017 fast drei Millionen mehr Menschen aufgrund von Krieg, Konflikten und Verfolgung ihre Heimat verlassen als noch 2016. 2017 waren es 68,5 Millionen Menschen und 2016 65,6 Millionen.
16,2 Millionen Menschen wurden im Jahr 2017 erstmals vertrieben. Umgerechnet bedeutet das, dass täglich 44.400 Menschen ihre Heimat verlassen mussten.
Rückgang der Asylanträge in Deutschland
Gleichzeitig verzeichnet Deutschland nach wie vor einen Rückgang von Personen, die einen Asylantrag stellen. So suchten im vergangenen Jahr 222.683 Personen um Asyl in Deutschland an, 2016 waren es 745.545. Ein Trend, der anhält: Auch im ersten Quartal 2018 sank die Zahl um fast 16 Prozent.
Der UNHCR-Repräsentant in Berlin, Dominik Bartsch, dankt Deutschland für die Unterstützung, betont jedoch gleichzeitig, dass es wieder eine Versachlichung innerhalb der Debatte braucht: „Deutschland hilft UNHCR finanziell, ist aber auch ein wichtiges Aufnahmeland. Das sind Leistungen, die weltweit gewürdigt werden und Deutschland viel Anerkennung eingebracht haben. Es ist verständlich, dass über die Herausforderungen der Aufnahme von Flüchtlingen diskutiert wird. Leider wird aber kaum über die Chance gesprochen, das Potential dieser Menschen zu nutzen. Es liegt zuerst an Deutschland selbst, ob Flüchtlinge eine Bürde oder eine Bereicherung sind.“
85 Prozent der Geflüchteten leben in Entwicklungsländern
Der Bericht zeigt auch, dass nicht „alle Geflüchtete nach Deutschland kommen“, wie oftmals populistisch behauptet wird. Im Gegenteil: 85 Prozent aller Vertriebenen weltweit leben nach ihrer Flucht in einem sogenannten Entwicklungsland. Und etwa zwei Drittel haben ihr eigenes Land gar nicht verlassen, sondern sind Binnenvertriebene. Der Libanon hat in Relation zur Gesamtbevölkerung die weltweit meisten Vertriebenen aufgenommen. Jede sechste Person im Libanon ist aus Syrien geflohen. Insgesamt nehmen zehn Länder fast zwei Drittel aller Geflüchteten weltweit auf.
Mehr als die Hälfte der Vertriebenen sind Kinder und Jugendliche
Zudem zeigt der Bericht, dass die Geflüchteten weltweit sehr jung sind: 53 Prozent von ihnen sind Kinder und Jugendliche. In Deutschland stellten 2017 89.205 Kinder und Jugendliche einen Asylantrag (siehe auch: Kinder auf der Flucht).
„Wenn Kinder aus ihrer Heimat fliehen müssen, lassen sie alles zurück, außer ihre Hoffnungen und Träume“, sagt Debra Barraud. Sie ist eine der Produzent*innen des Fotoprojektes „Dream Diaries“ und Fotografin bei „Humans of Amsterdam“. Dream Diaries, ein aktuelles UNHCR-Projekt, zeigt die Gesichter hinter all den Zahlen und lässt zwölf geflüchtete Kinder und Jugendliche von ihren Träumen erzählen.
So wie Hannah, Shoaib, Farida und Avien, die in Deutschland Zuflucht fanden: Während der elfjährige Shoaib nach seiner Flucht aus Afghanistan davon träumt, der beste Fußballer der Welt zu werden, wollen Farida und Avien (acht und fünf Jahre alt) einfach nur „normal sein, richtig ankommen“ und gemeinsam Schmetterlinge im Park fangen. Die Geschwister flohen mit ihrer Familie aus Syrien und leben heute in Berlin. Und die siebenjährige Hannah wünscht sich, dass ihre Eltern und ihr Zwillingsbruder nach Deutschland kommen. Sie sind nämlich noch in Damaskus.
Auch auf diese Geschichten, auf die vielen Individuen hinter den Zahlen, gilt es am Weltflüchtlingstag aufmerksam zu machen: „„Meistens ist der Grundtenor von Flüchtlingsfotos traurig und hoffnungslos, fast deprimierend. Wir wollten Fotos machen, die Menschen Hoffnung geben“, erklärt Annegien Schilling ihre Motivation. Sie ist Online-Grafikerin und reiste gemeinsam mit Debra Barraud, Benjamin Heertje und dem Filmproduzent Kris Pouw 7.000 Kilometer durch Europa. In Belgien, Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden sprachen die Produzent*innen mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen und zeigen in eindrücklichen Bildern deren Träume.
Ein Teil des UNHCR-Projekts „Dream Diaries“ ist noch bis 6. Juli in Österreich in der wienXtra-Jugendinfo ausgestellt.
Der UNHCR-Bericht „Global Trends“ steht zum freien Download zur Verfügung.