Der Tutzinger Diskurs „Big Data im Gesundheitswesen“ (2017-2019)
„Big Data“ bezeichnet die systematische und zunehmend automatisierte Erfassung, Vernetzung und Auswertung von Daten und umfasst schon jetzt alle Lebensbereiche. So auch den Gesundheitsbereich: von der Telemedizin und neuen Möglichkeiten bei Prävention, Diagnose, Behandlung und Nachversorgung über das „digitale Krankenhaus“ bis hin zur individuellen Selbstvermessung und der Möglichkeit, die Gesundheit stärker selbst in die Hand zu nehmen, entfaltet sich eine Entwicklung, die mit vielen Hoffnungen, aber auch mit vielen Befürchtungen verbunden ist.
Seit November 2017 ging die interdisziplinäre Expertengruppe im Rahmen des Tutzinger Diskurses der Frage nach, welche Chancen und Herausforderungen bei dem zunehmenden Einsatz von Big Data im Gesundheitsbereich bestehen. Besonderer Schwerpunkt lag hierbei auf der Frage, welche Aspekte für einen kompetenten Umgang mit der Technologie notwendig sind und wie solche Kompetenzen gefördert werden können. Es wurden unterschiedliche Bildungsformate mit jungen Menschen erprobt und daraus Lehrmaterialien für den Schulunterricht entwickelt:
Der Diskurs geht weiter: Gesünder mit Big Data?! Freiheit und Verantwortung beim Umgang mit Big Data im Bereich Gesundheit – initiiert und getragen durch vier Mitglieder der Diskursgruppe.
Der Tutzinger Diskurs „Wege der Integration“ (2017/18)
Die Frage der Integration steht in Deutschland und Europa insbesondere seit der verstärkten Zuwanderung von Flüchtlingen 2015/16 vielfach im Zentrum gesellschaftlicher und politischer Debatten. „Integration” heißt ursprünglich „Erneuerung”, aber auch „Herstellung eines Ganzen”. Was bedeutet das im Hinblick auf eine Gesellschaft, was bedeutet das in Deutschland und in Bayern? Für eine erfolgreiche Integration gilt es – im Interesse des gesellschaftlichen Zusammenhalts – jetzt die Weichen zu stellen, damit notwendige Entwicklungen nicht versäumt werden. Es stellt sich die Frage, wie die Gesellschaft im Ganzen als integrative – oder vielleicht noch besser als inklusive – begriffen werden kann, sodass jedem Gesellschaftsmitglied die Chance auf Teilhabe ermöglicht wird. Es ist dieser Grundgedanke der Inklusion, der die Diskussionen des Diskurses „Wege der Integration” von Anfang an geprägt hat.
Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, die sich normativ oder empirisch forschend mit dem Thema befassen, und Vertreterinnen und Vertretern der Praxis, die vor Ort konkrete Integrationsarbeit (zum Beispiel in der Flüchtlingshilfe oder in der Kommunalverwaltung) leisten, haben gemeinsam eine Ideensammlung erarbeitet, die Wege gelingender Integration aufzeigt:
Der Diskurs zum Nachlesen und Nachhören:
Das Interkulturelle Magazin auf B5 vom 25.11.2018 mit Interviews zum 4. Tutzinger Diskurs
„Wie Angebote für Migranten auch Einheimischen helfen können“, Domradio.de über den 4. Tutzinger Diskurs, 22.11.2018
Gelungene Integration in Mechelen – Wie eine belgische Stadt zum Vorbild wurde, die B5 Reportage vom 14.10.2018
Der Tutzinger Diskurs „Reproduktionsmedizin und Pränataldiagnostik“ (2015/16)
Reproduktionsmedizin und Pränataldiagnostik (PND) machen immer größere Fortschritte. Insbesondere bei so genannten „Risikoschwangerschaften“ kann eine genetische PND besorgten Eltern oft Gewissheit geben. Bislang kommt genetische PND nur bei einer geringen Zahl der Schwangerschaften zum Einsatz und wird von den gesetzlichen Krankenkassen nur dann bezahlt, wenn sie medizinisch indiziert ist. Gleichwohl gehört sie als Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) zum Standardangebot der medizinischen Schwangerschaftsbegleitung und erfordert auch von denjenigen Eltern eine Auseinandersetzung mit dem Thema, die eine solche Untersuchung letztendlich nicht in Anspruch nehmen. Dasselbe gilt für Personen, die in der Schwangerschaftsberatung und -begleitung arbeiten.
Der Diskurs an der Schnittstelle von Medizin, lebenswissenschaftlicher Forschung, Sozialwissenschaften, Philosophie, Journalismus und Sozialer Arbeit trägt zur rationalen Wahrnehmung von Risiken und Chancen genetischer Pränataldiagnostik bei. Führt die Entwicklung beispielsweise hin zu einem Screeningprogramm für die Gesamtbevölkerung? Und wie beeinflusst der Einsatz der PND die Diskussion über Schwangerschaft, Leben und insbesondere Behinderung? Anregungen, Antworten und Handlungsempfehlungen geben die Abschlusspublikationen:
Für Beiträge, die durch den Tutzinger Diskurs inspiriert wurden, sind zwei unserer Teilnehmerinnen mit Medienpreisen ausgezeichnet worden: Jeanne Turczynski (Bayerischer Rundfunk) mit dem Katholischen Medienpreis 2017 in der Kategorie Elektronische Medien und Daniela Remus mit dem Medienpreis ‚Prävention in der Schwangerschaft‘ der Stiftung für das behinderte Kind.
Der Tutzinger Diskurs „Gute Wissenschaft“ (2012/13)
Die moderne Wissenschaft prägt unser Menschenbild und ist Grundlage für Gesundheit und Wohlergehen der Menschheit. Inmitten aller Differenzierung der Disziplinen behält kaum jemand den Überblick, wo und unter welchen Bedingungen Wissen generiert und überprüft wird; Betrugsfälle nehmen zu. Quantitative Bewertungsverfahren steuern zunehmend die Logik der Forschung und führen zu augenfälligen Fehlentwicklungen: Leistung, die sich nicht direkt messen lässt, verliert an Wert und hat sinkende Chancen, beachtet und finanziert zu werden. Wissenschaftler und hochrangige wissenschaftliche Zeitschriften orientieren sich vermehrt an Aufmerksamkeit und wirtschaftlichen Aspekten. So fördern sie Hypes. Statt dem zentralen Wert der Freiheit der Wissenschaft zählen in wichtigen Disziplinen nun Verschwiegenheit und ökonomische Verwertbarkeit der Erkenntnisse. Reputation überstrahlt Wahrhaftigkeit. Quantität schlägt Qualität.
Was macht also „gute“ Wissenschaft aus und wie kann man diese unter den Bedingungen moderner Wissensproduktion stärken? Junge Männer und Frauen aus den Disziplinen der Lebens- und Sozialwissenschaften, der Philosophie und der Journalistik haben ein Memorandum mit Handlungsempfehlungen erarbeitet. Sie fordern von Forschungsförderung und Politik, den Wissensbetrieb zu entschleunigen, damit nicht möglichst viele Ergebnisse publiziert werden, sondern möglichst sichere.
Gute Wissenschaft braucht Freiraum, um Kreativität zu ermöglichen. Sie folgt nur selten vorgeplanten Wegen und bedarf gründlicher und daher oft langwieriger Überprüfung. Um Wissenschaft und ihre Ergebnisse kritisch zu hinterfragen, muss die Reflexion wissenschaftlichen Handelns stärker schon in die Schule, vor allem aber in die Lehre und auch in die weitere Hochschullaufbahn verankert werden. Dies erlaubt echte Teilhabe der Gesellschaft an wissenschaftlichen Erkenntnissen und steigert außerdem die Vielfalt in der Forschung.
Kurz- und die Langfassung des Memorandums zum Tutzinger Diskurs Gute Wissenschaft