Absagen, Umplanen und Ausloten neuer Möglichkeiten

14 Mai 2020
Absagen, Umplanen und Ausloten neuer Möglichkeiten
Sebastian Stamm, Leiter der Koordinierungs- und Fachstelle der Partnerschaft für Demokratie im Landkreis Coburg, unterstützt derzeit eine ehrenamtliche Initiative, die Community-Masken für den Landkreis näht. Copyright: privat.

Sebastian Stamm ist Teilnehmer des aktuellen Diskurs-Projekts „Miteinander vor Ort“. Er ist Leiter der Koordinierungs- und Fachstelle der Partnerschaft für Demokratie im Landkreis Coburg.
Seine Aufgabe sieht Sebastian Stamm vor allem als „Mittler, Unterstützer und Förderer der Zivilgesellschaft“ für verschiedenste Projekte, die im Rahmen der Partnerschaft für Demokratie im Landkreis Coburg stattfinden. Seine Tätigkeit ist vorrangig geprägt durch Veranstaltungen, die derzeit allerdings durch die Ausbreitung des Corona-Virus und die damit verbundenen Einschränkungen des öffentlichen Lebens verschoben oder abgesagt werden. So seien die zurückliegenden Wochen vor allem durch ein „Absagenmanagement“ geprägt gewesen; bis in den Juli hinein wurden Veranstaltungen bereits abgesagt. Dennoch sind einige Projektpartner weiter aktiv, bauen ihre digitalen Projekte weiter aus, finden kreative und innovative Lösungen und Formate für die Zeit mit den sich verändernden Corona-Maßnahmen.

Für die Gedenkstunde am 8. Mai 2020, 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, war im Vorfeld eine große Aktion mit Workshops und Kunstaktionen geplant, bei der Schüler*innen Banner mit Friedensbotschaften erstellen sollten. Im Rahmen der Workshops sollten Menschen, die international in verschiedenen Krisenregionen der Welt in der Friedensarbeit tätig sind, den Schüler*innen über ihre Arbeit berichten und gemeinsam mit ihnen erarbeiten, was Friedensarbeit in der heutigen Zeit bedeutet. Aufgrund der Schulschließungen konnte dieses Projekt nicht durchgeführt werden. Es wäre aber, so Sebastian Stamm, prinzipiell auch zu einem späteren Zeitpunkt durchführbar. Eine Friedensbotschaft sei zeitlos, auch wenn das Projekt eigentlich auf den 8. Mai zugeschnitten war. Die geplante Gedenkstunde, die aufgrund der Corona-Maßnahmen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden musste, wurde über das Lokalfernsehen übertragen und online zugänglich gemacht.


Demokratieförderung lebt vom direkten Kontakt

Auch wenn sich die Möglichkeiten des Internets vielfach nutzen lassen, das digitale Engagement weiter ausgebaut wird, sich einige Projekte auch gut online umsetzen lassen und sich dadurch neue Potenziale auftun, stößt man an anderer Stelle an die Grenzen der digitalen Umsetzung. So beschreibt Stamm, dass es in dem ländlich geprägten Landkreis, in dem er tätig ist, bisweilen schon Schwierigkeiten bereite, eine Video-Konferenz störungsfrei durchzuführen, da der flächendeckende Ausbau der digitalen Infrastruktur noch nicht überall angekommen sei.
Und selbst wenn die technische Seite kein Problem darstellt, lassen sich nicht alle Projekte in ein digitales Format überführen, denn „die ganze Demokratieförderung ist in dem Sinn Beziehungsarbeit, indem wir Diskussionskultur fördern, Menschen zusammenbringen und das bedeutet eigentlich die konkrete Begegnung, ob das nun im Theater oder im Wirtshaus ist“.

Ein Leuchtturm-Projekt für dieses Jahr sollte die Begleitung der Aufführung „Die Griechische Passion“ am Landestheater Coburg sein. Das Stück sollte unter anderem der Anlass sein, mit ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern zu thematisieren, was es konkret bedeutet, wenn eine moralische Haltung tatsächliches Handeln erfordert. Die Premiere war für Mitte April anberaumt, seit 11. März sind die Theater in Bayern jedoch geschlossen. Ohne die Theateraufführungen ergeben die dazu geplanten Veranstaltungen keinen Sinn. Ob und wann die Aufführungen stattfinden können, steht in den Sternen; möglicher Weise wird das Theater-Projekt um anderthalb Jahre verschoben.

Überhaupt wäre es, so Stamm, definitiv eine große Erleichterung, wenn Veranstaltungen wieder stattfinden dürften. Selbiges gilt für die mit der Diskursgruppe für Ende Juni geplante große Multiplikatoren-Veranstaltung zum Thema „Jugendbeteiligung im Landkreis“, zu der man die neugewählten kommunalen Vertreter*innen sowie all diejenigen, die in der Jugendarbeit bzw. –hilfe tätig sind, an einen Tisch bringen wollte. Diese Veranstaltung wurde –  in Absprache mit dem Landrat – auf Ende September verschoben. In der Hoffnung, dass bis dahin auch wieder größere Veranstaltungen erlaubt sind.


Unterstützung ehrenamtlicher Initiativen und Ausloten neuer Möglichkeiten

Neben der Um- und Neuplanung von Veranstaltungen und Projekten werden auch ehrenamtliche Initiativen unterstützt. Dem Aufruf, in ehrenamtlicher Heimarbeit sogenannte Community-Masken für den Landkreis zu nähen, folgten sogleich etwa achtzig Frauen und zwei Männer. Der hohe Zuspruch habe sie sehr überrascht. Die Unterstützung dieser Initiative nimmt viel Zeit in Anspruch, da das Material besorgt und vor Ort abgeliefert werden muss. Geht das Gummiband aus, muss für Nachschub gesorgt werden. Sind die Produkte fertig, werden sie abgeholt und dann an die verschiedenen Ehrenamtshilfen und Sozialstationen im Landkreis verteilt. „Aber ich bin ja froh, dass ich etwas Sinnvolles tun kann und die bürokratische Nacharbeitung des letzten Projektjahres noch etwas nach hinten schieben kann”, scherzt Stamm.
Auch die Nachbarschaftshilfe, die etwa Einkäufe für ältere Menschen übernimmt, wird bei der Koordination ihrer Aufgaben unterstützt.

Im Hinblick auf den Sommer werden verschiedene Möglichkeiten ausgelotet: Gibt es interessante und ansprechende Online-Planspiele, die die Jugendverbände vor Ort für ihr Ferienprogramm einsetzen können? Teilweise melden die Jugendverbände jedoch zurück, dass die Jugendlichen durch Home-Schooling und überwiegend virtuelles Kontakthalten mit Freund*innen übersättigt seien, was weitere Online-Angebote angeht.
Lohnt es sich, ein Autokino für den Sommer zu planen? Statt des Open-Air-Kinos, bei dem neben den Blockbustern und Kassenschlagern auch Arthouse-Filme, die sich mit Demokratie und Geschichte auseinandersetzen, gezeigt werden sollen.

Und wie sieht es mit zukünftigen Projekten aus? „Für die Zeit danach schauen wir nach Formaten, um das Thema Corona mit unseren Partnerschaften für Demokratie aufzunehmen. Ich könnte mir das gut als ein Dorfgespräch zum Thema Corona vorstellen.“ In diesem Rahmen ließe sich die zurückliegende Zeit mit Corona gemeinsam reflektieren. Die Menschen kämen mit ihren unterschiedlichen Erfahrungen und Meinungen ins Gespräch. Mithilfe interaktiver Methoden und mit professioneller Moderation könne man zusammentragen, wie sich jede*r Einzelne, aber auch die Gesellschaft als ganze verändert habe. Und es sei wichtig, darüber ins Gespräch zu kommen – im Sinne einer großen gemeinsamen Reflexion über die Zeit mit Corona.

Sebastian Stamm fasst die zurückliegenden Wochen so zusammen: „Es gibt immer neue Projekte und Aufgaben durch die neue Situation, das ist unbestritten lehrreich und spannend, aber man hofft dann doch, dass wir bald wieder zur normalen Arbeit zurückkehren können.“


Von Juliane Schwab

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