Vorschläge für die Integration

25 Jul 2018
Vorschläge für die Integration

Von Sebastian Haas

In den vergangenen Wochen sind in Bayern zwei Studien erschienen, die im Kern um die Fragen kreisen: Was brauchen Zugewanderte, um sich zu integrieren? Was bietet und verlangt der Freistaat? Ein Überblick über den Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Integration in Bayern aktiv gestalten und Richtung geben“ und die Studie „Islam in Bayern“.

Die Enquete-Kommission „Integration in Bayern aktiv gestalten und Richtung geben“ des Bayerischen Landtags bestand aus zehn Abgeordneten der Landtagsfraktionen und neun externen Sachverständigen aus Wissenschaft, Kommunalpolitik sowie Initiativen und Institutionen. In den vergangenen zwei Jahren haben sie im Auftrag des Bayerischen Landtags Ansätze für eine „erfolgreiche und zukunftsgerichtete Integrationspolitik“ in Bayern entwickelt. Da jeder fünfte Einwohner Bayerns entweder aus dem Ausland kommt oder Eltern hat, die von dort kommen, sei die Bewältigung dieser Aufgabe eng mit der Zukunftsfähigkeit des Freistaates verbunden, erklärte der Vorsitzende der Kommission, Arif Taşdelen (SPD).

Handlungsempfehlungen, die Erste

Der Bericht enthält 354 Handlungsempfehlungen, davon werden immerhin 158 von allen Fraktionen getragen. So sollen

  • ausländische Bildungsabschlüsse schneller und unbürokratischer anerkannt werden
  • keine Ausnahmen beim Mindestlohn für Zuwanderer gelten
  • Geflüchtete wenn möglich in kleineren Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden und die „deutsche Rechts- und Werteordnung anerkennen“
  • Orientierungskurse über das Zusammenleben in Deutschland bereits in Erstaufnahmeeinrichtungen angeboten werden
  • Integrationsmaßnahmen freier Träger stärker gefördert werden
  • Menschen mit Migrationshintergrund für eine Mitgliedschaft in politischen Parteien, für das Wählen überhaupt und auch zur Einbürgerung motiviert werden.

Was die Parteien sagen

So viel zu dem, was eint. Einiges trennt eben doch: Da die CSU in der Kommission die meisten Mitglieder stellte, wurde mehrheitlich für die Empfehlung gestimmt, die Leitkultur zum Maßstab staatlicher Integrationspolitik zu machen – obwohl SPD, Freie Wähler und Grüne diesen Begriff strikt ablehnen. Kommissionsvorsitzender Taşdelen forderte die Staatsregierung auf, nun auf solide Sacharbeit zu setzen. Denn bisher gelinge Integration in Bayern nur da wirklich gut, wo Kommunen und Ehrenamtliche das Thema als wichtig erachteten. Im Gleichton mit den Freien Wählern forderte die SPD daher mehr Unterstützung für die Kommunen.

Thomas Huber (CSU) ist stellvertretender Vorsitzender der Enquete-Kommission. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die staatlichen Leistungen: Allein für die Aufnahme von Asylbewerbern und Integration gäbe der Freistaat 2015 bis 2018 neun Milliarden Euro aus. Darüber hinaus hätten vor allem ehrenamtliche Helfer ein „einzigartiges Netz der Solidarität“ geschaffen: „Mit Sprachförderung, Ausbildung und beruflicher Qualifizierung fokussieren wir uns auf diejenigen, die eine langfristige Bleibeperspektive haben.“ Insgesamt zog er eine positive Bilanz aus zwei Jahren Kommissions-Arbeit. Und er betonte den Sinn der sogenannten Leitkultur: „Integration ist dann gelungen, wenn alle Menschen nach gemeinsamen Grundregeln selbstbestimmt leben und sich nicht abschotten. Wir wollen ein Zusammenleben, kein Nebeneinanderleben.“

Informationen zur Enquete-Kommission „Integration in Bayern aktiv gestalten und Richtung geben“

Zum Nachsehen: Die Aussprache zum Abschluss der Enquete-Kommission im Bayerischen Landtag

Der Abschlussbericht “Integration in Bayern aktiv gestalten und Richtung geben” als PDF-Download

Muslimische Lebenswelten in Bayern

Nur eine „Kultur der Anerkennung“ von Musliminnen und Muslimen kann gesellschaftlicher Spaltung entgegenwirken. So lautet das große Fazit der Studie „Islam in Bayern“, die, initiiert vom damaligen Kultusminister Ludwig Spaenle, über drei Jahre im Auftrag der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (BAdW) entstanden ist. Das Erlanger Zentrum für Islam und Recht in Europa der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat dafür ein Policy Paper ausgearbeitet. Das Themenspektrum reicht vom islamischen Unterricht über die Kooperation zwischen Staat und Verbänden bis hin zu Islamfeindlichkeit.

Handlungsempfehlungen, die Zweite

Zentrale Ergebnisse sind:

  • Der islamische Religionsunterricht ist ein zentraler Baustein für eine „Kultur der Anerkennung“ und gleichzeitig ein wichtiges Instrument gegen Radikalisierung. Die Fortsetzung des Modellversuchs, der im Freistaat noch bis 2019 läuft, wird dringend empfohlen.
  • Flüchtlinge haben weit weniger enge Beziehungen zu Moscheegemeinden als angenommen: In erster Linie sind sie mit der Bewältigung von Alltagsproblemen beschäftigt.
  • Die Erfahrung neuer Rollenbilder verändert vor allem die Frauen.
  • In Bayern gibt es keine „Paralleljustiz“ mit „Scharia-Gerichten“ – wohl aber Fälle, in denen traditionelle Formen der Streitschlichtung praktiziert werden. Um solche Konflikte besser aufzufangen, werden dringend mehr Sozialarbeiter mit muslimischem Hintergrund benötigt.
  • Die muslimische Seelsorge in Gefängnissen und Krankenhäusern sollte etabliert und ausgebaut werden.
  • Als rechtlich unbedenklich und der breiten Gesellschaft vermittelbar wird die muslimische Tradition eingeschätzt, Tote nicht im Sarg, sondern in Tüchern zu begraben.

Die Forscherinnen und Forscher sind außerdem der Frage nachgegangen, welche Gefahr von fundamentalistisch orientierten, gewaltbereiten Muslimen ausgeht. So habe sich in Bayern „eine weiter anwachsende salafistische Szene etabliert“ – obwohl immer wieder Anhänger des Salafismus das engmaschig überwachte Bayern verließen. Eine Null-Toleranz-Strategie gegenüber Islamisten und Salafisten sowie ihren Unterstützern wird empfohlen. Denn diese bedrohten zudem mit ihrer aggressiven Rhetorik den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Freistaat. Dasselbe gilt übrigens auch für die Gruppen, die gegen den Islam polemisieren.

Das Policy Paper Islam in Bayern als PDF-Download

Eine Zusammenfassung der Studie in der BAdW-Zeitschrift Akademie Aktuell (PDF)

Informationen des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands zum Islamunterricht

Bayerische Muslime wünschen sich Normalität / Der Bayerische Rundfunk berichtet über die Studie Islam in Bayern

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