Die EU und die Integration

06 Sep 2018
Die EU und die Integration
Der Tutzinger Diskurs zu Gast bei der Generaldirektion Migration und Inneres der Europäischen Kommission, Copyright: Valentine Auer

Von Valentine Auer

Wird über die Migration von Drittstaatsangehörigen und über die damit in Zusammenhang stehende EU-Politik gesprochen, ist häufig von Grenzschließungen oder der Bekämpfung von Fluchtursachen die Rede. Weniger im Fokus steht die Integrationspolitik, die von der Europäischen Kommission vorangetrieben wird. Der Tutzinger Diskurs „Wege der Integration“ besuchte die Generaldirektion Migration und Inneres der Europäischen Kommission in Brüssel und sprach mit jenen Personen, die für die Integrationspolitik verantwortlich sind.

Maßnahmen zur Unterstützung der Drittstaatsangehörigen vor der Ankunft im Zielland. Und im Zielland selbst: Die Integration in den Bildungsbereich und den Arbeitsmarkt sowie der Zugang zu Basisdienstleistungen und die aktive Teilhabe und soziale Inklusion der neuzugewanderten Drittstaatsangehörigen. Das sind die fünf Bereiche, auf die sich die EU im Integrationsbereich fokussiert. Festgelegt wurden diese Bereiche im EU-Aktionsplan, der sich mit der Integration von Drittstaatsangehörigen beschäftigt.

Wahrnehmung der Integration in der EU

In all diesen Bereichen wird neben der Förderung, der Identifizierung und Umsetzung von Good-Practice-Projekten auch Forschung betrieben. So veröffentlichte die Europäische Kommission im April 2018 ein „Eurobarometer“, das einen Blick auf die Wahrnehmung von Integrationsthemen in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten wirft.

Eines der Ergebnisse: Mit 54 Prozent geben mehr als die Hälfte der Befragten an, dass die Integration in ihrer Region oder in ihrem Land erfolgreich verläuft. Demgegenüber stehen 40 Prozent, die die Integration als nicht erfolgreich erachten. Ein detaillierterer Blick zeigt jedoch große Unterschiede je nach Mitgliedstaat: So ist der Anteil jener, die die Integration als erfolgreich wahrnehmen, in Irland mit 80 Prozent am höchsten, gefolgt von Portugal (77 Prozent) und dem Vereinigten Königreich (71 Prozent). Am unteren Ende liegen Estland (34 Prozent), Ungarn (37 Prozent) und Lettland (39 Prozent). Deutschland liegt mit 50 Prozent im Mittelfeld.

Zudem stimmen 69 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass das Fördern von Integration eine notwendige Investition auf lange Sicht ist – gegenüber 24 Prozent, die dieser Aussage widersprechen. Ebenso 69 Prozent sind der Meinung, dass Integration ein zweiseitiger Prozess ist, für den sowohl Migrant*innen als auch das Zielland verantwortlich sind. 20 Prozent sehen die Verantwortung nur auf der Seite der Migrant*innen und acht Prozent nur auf der Seite des Aufnahmelandes.

Tatsächliche Integration: Risiko von Armutsgefährdung

Tatsächlich sind Drittstaatsangehörige in vielen Bereichen benachteiligt, erklärt eine EU-Beamtin der Generaldirektion Migration und Inneres: „Die Wohnsituation von Drittstaatsangehörigen ist schlechter und der Anteil von frühen Schulabgängern bei Drittstaatsangehörigen am höchsten. Sie haben ein höheres Armuts-Risiko und ein höheres Risiko sozial exkludiert zu werden.“

So zeigen auch die Daten der EU-SILC-Erhebung, dass im Jahr 2016 durchschnittlich 21,8 Prozent der inländischen Staatsangehörigen (über 18 Jahre) von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen waren. Dieser Wert liegt bei ausländischen Staatsangehörigen bei 39,2 Prozent und bei Drittstaatsangehörigen bei 48,7 Prozent. Ähnliches zeigt sich bei den „Working Poor“: 26,9 Prozent der erwerbstätigen Drittstaatsangehörigen, aber nur 8,7 Prozent der inländischen Staatsangehörigen, erhalten trotz Arbeit ein Einkommen unterhalb der Armutsgefährdungsschwelle.

Fokus auf Migrantinnen und weibliche Geflüchtete

All diese Benachteiligungen betreffen Geflüchtete und insbesondere Frauen am stärksten, heißt es vonseiten der Generaldirektion Migration und Inneres. Daher richtet die Europäische Kommission ihre Aufmerksamkeit verstärkt auf die Förderung der Integration von Frauen. Am Beispiel Arbeitsmarkt zeigt sich, dass weibliche Drittstaatsangehörige mit 45 Prozent eine niedrigere Beschäftigungsquote haben. Zum Vergleich: Die EU-weite Beschäftigungsquote liegt bei inländischen Personen bei 66 Prozent, Drittstaatsangehörige weisen eine Beschäftigungsquote von 54 Prozent auf. Gleichzeitig ist die Überqualifizierungsquote bei Migrantinnen höher als bei anderen Bevölkerungsgruppen. Viele der migrantischen Frauen arbeiten laut der Europäischen Kommission in den Bereichen Reinigung, Bewirtung oder Tourismus.

Einer der Gründe für diese Schlechterstellung liegt im späteren Zugang zu Sprachkursen – vor allem bei geflüchteten Frauen bzw. bei Frauen, die durch Familienzusammenführung in ein EU-Land kamen. Und genau diese Gruppe ist in vielen EU-Ländern die größte Gruppe innerhalb der Migrantinnen. „Der Fokus muss daher auf der Erhöhung des Bildungsniveaus liegen“, sagt die EU-Beamtin, „die Gründe der Migration können wir nicht ändern. Aber wir können früher intervenieren, um die ‚Wartezeit’ zu nutzen und den Zugang zu anderen Integrationsmaßnahmen zu erleichtern”.

Eine gemeinsame Studie der OECD und der Europäischen Kommission („Catching up, intergenerational mobility and children of immigrants“) zeigt zudem, dass die Kinder und vor allem die Töchter von arbeitenden Migrantinnen selbst einen einfacheren Zugang und bessere Chancen am Arbeitsmarkt haben. „Wir wissen, dass es einen hohen Ertrag gibt, wenn in die Sprachkenntnisse und in das Bildungsniveau von Migrantinnen investiert wird und trotzdem erhalten gerade Frauen am wenigsten Unterstützung“, bedauert die EU-Beamtin. Die Integrationsmaßnahmen müssten dabei auf die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Personen adaptiert und speziell für Frauen entwickelt werden. Dazu zählen auch Kinderbetreuungsangebote während der Maßnahmen. Langfristig profitiere davon die gesamte Gesellschaft.

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