Von Valentine Auer
Das Projekt „Pleinmakers“ der sozialen Wohnungsgesellschaft Woonpunt Mechelen soll helfen, das Image des Viertels Oud Oefenplein in der belgischen Stadt Mechelen ins Positive zu verändern und den sozialen Zusammenhalt im Viertel zu stärken. Der Tutzinger Diskurs war vor Ort.
„Ich war nicht das, was man einen netten Jungen nennen würde“, sagt Mustapha Lahrach lachend. Gerade deswegen weiß er, wie er die Jugendlichen im Viertel Oud Oefenplein abholen und motivieren kann. Seit Januar dieses Jahres wohnt Lahrach in Oud Oefenplein. Einem Viertel in der belgischen Stadt Mechelen, das von vielen als unsicher und kriminell wahrgenommen wird. Dieses Image will die soziale Wohnungsgesellschaft Woonpunt Mechelen ändern – mit Hilfe von Menschen wie Mustapha Lahrach. Er ist einer von vier „Pleinmakers“, einer von vier Personen, die den sozialen Zusammenhalt und eine aktive Nachbarschaft im Viertel fördern sollen.
Oud Oefenplein: Ein Viertel der Veränderung
Oud Oefenplein ist ein sehr diverses Viertel. Einerseits aufgrund soziodemographischer Faktoren: Die Bewohner*innen leben alleine oder in Familien, sprechen unterschiedliche Sprachen, glauben an verschiedene Götter oder an gar keinen Gott. Rund 94 Prozent der Jugendlichen, die im Viertel leben, weisen einen Migrationshintergrund auf.
Andererseits ist die Architektur in Oud Oefenplein sehr unterschiedlich: Nach dem Zweiten Weltkrieg waren viele der Häuser im Viertel unbewohnbar, neue Häuser wurden gebaut. In den letzten Jahren kam es zu weiteren Erneuerungen. 2015 wurden Häuser renoviert. 2016 und 2017 wurden neue Mietshäuser, aber auch Spielplätze, Straßen, Plätze und ein Gemeinschaftshaus gebaut, in dem gemeinsam gegessen werden kann und viele Angebote – vom billigen Friseurladen bis zu betreuenden Sozialarbeiter*innen – genutzt werden können.
Allein im Jahr 2017 kamen 172 neue Mieter*innen in das Viertel, das heute 467 Gebäudeeinheiten umfasst. Änderungen, die sich auch im sozialen Zusammenhalt bemerkbar machten, erklärt Yvette Dierckx, Direktorin von Woonpunt Mechelen: „In Oud Oefenplein wohnen viele arme Menschen, viele Menschen ohne Job und es gibt einen Mangel an sozialem Zusammenhalt. 2017 bauten wir in nur wenigen Monaten ein neues Dorf auf. Es zogen sehr viele neue Mieter und Mieterinnen in das Viertel, die aus Apartments kamen und es nicht gewohnt waren, in Häusern mit Garten zu wohnen. Die Profile dieser neuen Leute unterscheiden sich stark von jenen, die schon länger hier wohnen. Wenn sich all diese Faktoren in einem Viertel anhäufen, ist Ärger vorprogrammiert.“
Pleinmakers zur Stärkung des Zusammenhalts
Die ideale Ausgangssituation für ein neues Projekt also. Die Idee von Pleinmakers entstand vor über einem Jahr: „Mit dem Projekt ‚Pleinmakers‘ wollen wir das Viertel sicher und angenehm machen, wir wollen den sozialen Zusammenhalt wieder stärken, indem die Pleinmakers andere Bewohner und Bewohnerinnen ermuntern, aktiv im Viertel teilzunehmen“, fasst Dierckx das Ziel des Projekts zusammen. Die Pleinmakers sollen als Vorbildbürger*innen im Viertel wohnen, sichtbar sein und mit Menschen sprechen. Sie sollen unterstützend zur Seite stehen, neue Aktivitäten und Projekte initiieren, komplementär zu den bereits bestehenden sozialarbeiterischen Projekten wirken. Und schließlich auch andere Bürger*innen im Viertel inspirieren, sich im Viertel einzubringen. All das passiert in ihrer Freizeit, als Gegenzug zahlen sie eine günstigere Miete.
Nach einem intensiven Bewerbungs- und Auswahlprozess war es schließlich soweit: Zu Beginn des Jahres zogen vier dieser „Pleinmaker“ nach Oud Oefenplein. Jochen De Bock, mit 22 Jahren der Jüngste unter ihnen, lebt allein und ist Niederländisch-Lehrer. Im Viertel unterstützt er Kinder und Jugendliche bei den Hausaufgaben und organisiert Poetry Slams. Jenny Harzé, 52 Jahre alt, lebt mit zwei Töchtern hier und hat einen Secondhand-Shop im Viertel eröffnet. Erika Roelands ist 43 Jahre alt, fokussiert sich auf die Partizipation von Eltern, organisiert Kochworkshops und Nachbarschaftsfeste. Und dann ist da noch Mustapha Lahrach, 46 Jahre alt. Mustapha arbeitet in der Stadtverwaltung Mechelen im Bereich der Prävention. Ehrenamtlich ist er als Boxtrainer beim „Royal Gym Mechelen“ tätig und als „Pleinmaker“ arbeitet er hauptsächlich mit Jugendlichen und deren Eltern: „Ich will die Jugendlichen motivieren und aktivieren. Ich will ihnen zeigen, dass es wichtig ist, einen Job zu finden, dass es wichtig ist, ein Hobby zu haben“, sagt Lahrach.
Ausweitung des Projekts
Zu Beginn hieß es für die vier „Pleinmakers“ in erster Linie an Türen klopfen, sich vorzustellen, aber auch sich selbst in die Nachbarschaft zu integrieren und auszuprobieren, was funktioniert und was weniger funktioniert. Nach ein paar Monaten konnten schon erste Erfolge gefeiert werden. Ein von den Pleinmakers organisiertes Fastenbrechen während des Ramadan zog statt 50 erwarteten Personen 300 an. „Es waren ganz verschiedene Menschen beim Fastenbrechen. Die Herkunft oder die Religion spielten keine Rolle mehr“, erzählt Lahrach. Und genau das sei eines der Ziele. Durch unterschiedliche Projekte, die die „Pleinmakers“ initiieren, sollen Nachbar*innen wieder in Kontakt kommen und ihre Gemeinsamkeiten im Vordergrund stehen.
Auch wenn die erste Evaluierung des Projektes noch ansteht, glaubt auch Dierckx an den positiven Input des Projektes. Langfristig hofft sie darauf, dass das Projekt das Bild vom sozialen Wohnbau ändert: „Am Ende des Jahres werden wir das Projekt evaluieren, um zu sehen, in welche Richtung es künftig gehen soll. Wenn wir sehen, dass es funktioniert, wollen wir es auch in anderen Vierteln in Mechelen umsetzen. Außerdem wollen wir zeigen, dass soziales Wohnen mehr ist, als armen Menschen ein Zuhause zu geben.“