Von Valentine Auer
Es ist nur eine kleine Stadt, etwas mehr als 8.000 Menschen leben im bayerischen Neunburg vorm Wald, rund 11 Prozent von ihnen besitzen einen ausländischen Pass. Eine kleine Stadt, in der die Diskursteilnehmerin Elke Reinhart sich um die Belange von Geflüchteten und Migrant*innen kümmert. Gleichzeitig ist sie Kümmerin der Initiative „Integration SAD“ im oberpfälzischen Landkreis Schwandorf. Elke Reinhart spricht über ihre schönen Erfahrungen, aber auch über Herausforderungen in ihrer Arbeit als „kleines Ausländeramt“, wie sie es nennt.
Egal ob beim Finden von Arbeit oder einer Wohnung, ob bei Fragen zur Schule, bei Aufenthaltsproblemen oder dem Versuch die Familie nach Deutschland nachzuholen. Reinharts Aufgabenfeld ist breit. Überwiegend macht sie Einzelfallhilfe und wird als solche von Migrant*innen bei unterschiedlichsten Herausforderungen kontaktiert: „Zu mir kommen Geflüchtete ebenso wie die Frau aus Weißrussland, die schon länger da ist. Wenn Ausländer*innen ein Problem haben, kommen sie zur Elke. Ich bin die Ansprechpartnerin für viele geworden“, erzählt Reinhart. Sie koordiniert aber auch Ehrenamtliche, initiiert und konzipiert Projekte und ist gleichzeitig Kontakt für Behörden wie der Polizei oder dem Jobcenter.
Herausforderungen durch Rahmenbedingungen und Ungleichbehandlungen
Und gerade im letzteren Bereich liegen laut Reinhart viele Herausforderungen und Probleme: „Die Leute fragen mich immer wieder, wie ich diesen Job machen kann, weil es ja nur Ärger mit dem Klientel der Geflüchteten gäbe. Dem ist aber nicht so. Meine eigentlichen Probleme des Alltags sind die Rahmenbedingungen und Ungleichbehandlungen“, so Reinhart. Dabei kritisiert sie vor allem die Abhängigkeit von einzelnen Mitarbeiter*innen, von deren Gesinnung und Motivation. Egal ob beim Jobcenter oder bei anderen Behörden, überall gibt es sehr engagierte Mitarbeiter*innen, aber auch jene mit einer festgefahrenen und pauschalisierenden Meinung zu Migrant*innen. „Auch bei den Behörden arbeiten ganz einfach nur Menschen“, sagt Reinhart.
Gleichzeitig wird in vielen Bereichen der Bedarf nicht gedeckt. Auch das erschwert Reinharts Arbeit. Die Regelungen rund um Hartz IV, die damit zusammenhängenden Sanktionen, sind Themen, die alle betreffen. Ebenso zu wenig Plätze in Kindergärten und Kitas, aber auch die Förderung von Schüler*innen sind Bereiche, die weder für deutsche Kinder und Jugendliche noch für Migrant*innen funktionieren.
„Es muss einfach mehr Flexibilität her“, fasst Reinhart ihren dringlichsten Wunsch zusammen. So müsse auch die Wirtschaft im Zusammenspiel mit der Politik flexibler agieren. Bei manchen Menschen sei ein Integrationskurs nach dem anderen verschwendetes Geld, stattdessen würden sie im Rahmen einer Arbeitsstelle schneller und leichter Deutsch lernen und gleichzeitig in Kontakt mit unterschiedlichen Menschen kommen. Hier gilt es individueller zu agieren, so Reinhart weiter: „Mein größter Wunsch ist, dass man jeden einzelnen Menschen und seine Bedürfnisse ernst nimmt und respektiert. Wenn das passieren würde, wäre schon einiges besser.“
Dass dann vieles leichter fällt, zeigt sich in der alltäglichen Arbeit: Bereits zwanzig Leute konnte Reinhart in „gute Arbeit“ bringen. Konkret bedeutet das für sie, dass sowohl Arbeitnehmer*in als auch Arbeitgeber*in zufrieden sind. Und Geflüchtete nicht – wie gängige Praxis – in erster Linie als Krankenpfleger*innen eingesetzt werden, um dem Pflegekräfte-Mangel in Deutschland entgegenzuwirken – und das oftmals ohne nachzufragen, ob die Menschen das auch wirklich wollen.
Herzensprojekt: Deutsch für Mütter
Eines von Reinharts Herzensprojekten ist zudem „Deutsch für Mütter“. Auch hier hat sie auf Bedürfnisse, die sie in ihrer täglichen Arbeit beobachtet hat, reagiert: Integrations- oder Deutschkurse zu besuchen, ist für Frauen mit kleinen Kindern oftmals unmöglich. Daher hat sie sich mit den geflüchteten Familien in Neunburg zusammengesetzt und darüber gesprochen, wie eine Frau mit Baby oder mit vielen Kindern Deutsch lernen kann – und das, ohne ihre Familie vernachlässigen zu müssen.
So entstand vor einem Jahr das Projekt „Deutsch für Mütter“. Die Zeiten wurden während der Schulstunden am Vormittag angelegt – für die jüngeren Kinder gibt es eine Betreuung vor Ort. Mittlerweile gibt es das Projekt in vier Städten im Landkreis Schwandorf. Vor Kurzem haben zwei syrische Frauen aus dem Projekt den Führerschein gemacht. Für Reinhart ein Beispiel dafür, dass das Projekt nicht nur die Deutschkenntnisse verbessert, sondern auch das Selbstbewusstsein stärkt: „Es ist schon nach dem ersten Monat so, dass die Frauen viel mehr am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Sie gehen plötzlich alleine einkaufen oder äußern den Wunsch, dass sie arbeiten wollen“, so Reinhart.
Erfolgserlebnisse, die die Integrationsbeauftragte und Kümmerin in ihrer Arbeit bestärken. „Ich bin ja eigentlich Grafikerin, aber ich glaube, dass irgendwer – vielleicht ist es der liebe Gott – der Überzeugung ist, dass ich diese Arbeit machen muss. Und es scheint zu funktionieren“, so Elke Reinhart abschließend.