„Gemeinsamkeiten statt Unterschiede sehen“

11 Dez 2018
„Gemeinsamkeiten statt Unterschiede sehen“
Uwe Kraus, Foto: Sebastian Haas

Von Valentine Auer

Der Diskursteilnehmer Uwe Kraus ist als Leiter der Sozialen Dienste beim Diakonischen Werk Schweinfurt e.V. für die Bereiche Migration und allgemeine Sozialarbeit zuständig. Dadurch hat er mit Geflüchteten ebenso Kontakt wie mit Flüchtlings- und Integrationsberatungen, mit Ehrenamtlichen, mit Ämtern und Behörden in Schweinfurt. Ebendiese Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Akteur*innen ist laut ihm Grundbedingung, damit geflüchtete Menschen wieder eine Zukunftsperspektive bekommen.

Solidarisch den Weg gemeinsam gehen

„Aus meiner Arbeit weiß ich, dass Menschen noch und immer wieder mit ihrem Herzen und ihren Gedanken in der Heimat sind: Schlechte Nachrichten, zerrissene Familien, die Hoffnung auf den Familiennachzug, der nicht erfüllt werden kann, traumatische Erlebnisse oder Heimweh. All das belastet die Menschen sehr. Da fallen die Schritte hier in Deutschland schwer“, erzählt Uwe Kraus. Daher bedeutet Integration für ihn ein Stück weit mitgetragen zu werden von der Solidargemeinschaft.

Damit das funktionieren kann, braucht es entsprechende Rahmenbedingungen: Eine gut ausgestattete und qualifiziert handelnde Flüchtlings- und Integrationsberatung zum Beispiel, aber auch die Unterstützung durch Ehrenamtliche. Auch wenn die Asylantragszahlen rückläufig sind, plädiert Kraus dafür Migrationsberatungsdienste auszubauen. Mehr Zeit und mehr hauptamtliche Mitarbeiter*innen sind notwendig, um Geflüchtete sowohl rechtlich in ihrem Asylverfahren zu beraten, als auch während ihres Ankommens in Deutschland zu begleiten.

„Allein die Schritte von der Kitaplatzsuche, dem Abschluss des Betreuungsvertrages, der Antragstellung zur Übernahme des Kitabeitrages bis hin zur Begleitung beim ersten Elternabend, der Verständigung beim Entwicklungsgespräch und Erklärungen zum Kita-Alltag und Kindergartenjahr, sind ohne Unterstützung nicht zu bewältigen“, nennt Kraus ein Beispiel. Das gleiche gilt für den Zugang zum Arbeitsmarkt, aber auch zu anderen Ressourcen: Wohnen bedeutet zum Beispiel nicht nur die langwierige und oft schwierige Suche nach einer Wohnung, sondern daran anknüpfend das Kennenlernen der Hausordnung, der Mülltrennung, das Unterschreiben eines Mietvertrages, der auch für deutsche Muttersprachler*innen schwer verständlich sein kann.

Ehrenamtliche qualifizieren und wertschätzen

Um all dies zu bewerkstelligen, braucht es auch die Unterstützung der Ehrenamtlichen. Uwe Kraus ist mit knapp 300 Ehrenamtlichen, die sich in der Flüchtlingshilfe einbringen, in Kontakt. Sie sind diejenigen, die tatsächlich vor Ort sind, den direkten Kontakt mit Geflüchteten haben, Wege – ob zur Schule, zur Ärztin oder zu Arbeitsagentur – begleiten. Sie sind zentral für Beratungsstellen, weil sie die Bedürfnisse der einzelnen Menschen meist besser kennen als die Berater*innen. Das ist auch der Grund, weshalb die Diakonie Schweinfurt bereits 2010 eine Ehrenamtsakademie gründete.

„Wir versuchen die Ehrenamtlichen zu begleiten, zu informieren, zu qualifizieren und auch entsprechend wertzuschätzen“, so Kraus „die Ehrenamtlichen sind bei uns zum einen versichert, zum anderen bitten wir um eine Verschwiegenheitspflicht; zum einen geben wir Impulse für den Umgang mit traumatisierten Flüchtlingen, zum anderen bieten wir auch Schutz vor Überbelastung. Für jeden Ort ist eine Flüchtlings- und Integrationsberaterin zuständig, die die Geflüchteten und die Ehrenamtlichen kennt. Nur so kann das Zusammenspiel von Haupt- und Ehrenamtlichen funktionieren.“

Integration für alle öffnen

So und durch die Vernetzung – sowohl der Haupt- als auch der Ehrenamtlichen – mit lokalen Institutionen, Ämtern, Behörden und anderen sozialen Diensten. Wichtig ist dabei, dass die unterschiedlichen Angebote für alle geöffnet werden, damit Menschen mit unterschiedlichen Biographien ins Gespräch kommen. Bei der Diakonie Schweinfurt bedeutet das, dass die Wohnungsbörse und die Fahrradgarage, die zwar durch den besonderen Bedarf der Geflüchteten entstanden sind, auch Einheimische besuchen. Sowohl die Lebens- und Energieberatung, die Einzelfall- und Formularhilfe, der Alleinerziehenden-Treff und das Begegnungscafe sind offen für alle. Hier lernt man sich kennen und unterstützt sich gegenseitig, erzählt Kraus: „Hier finden auch Alphabetisierungskurse für Deutsche statt, es werden Rezepte ausgetauscht, Unterstützungsmöglichkeiten vermittelt.“

Integration, die darauf abzielt, dass die Würde aller Menschen unantastbar bleibt, ist also zu schaffen und vieles ist bereits auf dem richtigen Weg, so das Fazit von Kraus. Er spricht von Vielfalt, die in vielen Kitas zur Normalität wird, von Behörden, in denen Weiterbildungen zu den Themen interkulturelle Kompetenz und einfache Sprache, angeboten werden oder von Arbeitgeber*innen, die einen erheblichen bürokratischen Mehraufwand in Kauf nehmen, damit eine Ausbildungsduldung ausgestellt oder ein Bundesfreiwilligendienst abgeleistet werden kann.

Und: Jede und jeder von uns kann einen Teil zu Integration beitragen, betont Kraus: „Integration passiert selten bei uns in der Diakonie oder während eines Projektes. Sie passiert im Alltag, beim Einkaufen, beim Busfahren, auf der Straße. Jede und jeder von uns ist also gefragt, hinzuschauen, zu lächeln, ins Gespräch zu kommen und vor allem nicht müde zu werden, die Gemeinsamkeiten statt die Unterschiede zu sehen“.

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