Der Wert der Familie

15 Mai 2018
Der Wert der Familie
Copyright: Katherine Chase / unsplash

Von Valentine Auer

Das Thema Familiennachzug wird derzeit heftig diskutiert: Subsidiär Schutzberechtigte hatten zwei Jahre lang keine Möglichkeit, ihre Familien nach Deutschland zu holen. Nun heißt es weiter warten. Denn ab August soll der Familiennachzug für subsidiär Geschützte auf ein Kontingent von 1.000 Personen pro Monat begrenzt werden. Eine Entscheidung, für die die Bundesregierung von verschiedenen Organisationen kritisiert wird. Anlässlich des Internationalen Tags der Familie am 15. Mai lassen wir einige dieser Kritiker*innen zu Wort kommen, werfen einen Blick auf die Zahlen und auf die derzeitigen Rahmenbedingungen.

Was sagen die Zahlen?

Wie viele Geflüchtete ihre Familienangehörige nachziehen lassen, wird in Deutschland nicht statistisch erfasst. Was wir wissen, ist die Gesamtzahl aller Visa, die für eine Familienzusammenführung erteilt wurde: Im vergangenen Jahr waren das laut dem Auswärtigen Amt 117.992. Gegenüber 2016 entspricht das einem Anstieg von 13,6 Prozent. Im ersten Quartal 2018 wurden 27.551 Visa zum Zwecke des Familiennachzugs erteilt.

Laut dem Auswärtigen Amt wird der Aufenthaltsstatus der Bezugsperson, also jener Person, zu der die Angehörigen nachziehen, nicht statistisch erfasst. Die Zahlen zeigen jedoch, dass im Jahr 2017 knapp 50.000 Personen aus den drei wichtigsten Herkunftsländern der Geflüchteten durch den Familiennachzug nach Deutschland kamen. Allein 40.700 Personen kamen aus Syrien, 10.860 aus dem Irak und 1.219 aus Afghanistan. Im ersten Quartal 2018 erhielten insgesamt 9.811 aus diesen drei Ländern Familiennachzugsvisa.

Was sagen die Rahmenbedingungen?

Wer seine oder ihre Familienangehörige nach Deutschland holen darf, hängt von dem Aufenthaltsstatus der in Deutschland lebenden Person ab. So können Asylberechtigte nach dem Grundgesetz sowie anerkannte Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention ihre Ehepartner*innen und ihre minderjährigen Kinder nach Deutschland holen. Dabei müssen sie – anders als bei anderen Drittstaatsangehörigen – keine Nachweise über ein ausreichendes Einkommen oder Wohnraum erbringen. Unbegleitete Minderjährige können ihre Eltern nachziehen lassen.

Anders sieht es bei subsidiär Schutzberechtigten aus. Mit dem Asylpaket II vom März 2016 wurde der Familiennachzug für diese Personengruppe bis 31. März 2018 komplett ausgesetzt. Die Frist wurde bis zum 31. Juli 2018 verlängert. Das heißt subsidiär Schutzberechtigte konnten mehr als zwei Jahre lang keine Familienangehörigen nachziehen lassen. Nun einigten sich CDU/CSU und SPD darauf, dass ab 1. August 2018 maximal 1.000 Menschen pro Monat durch den Familiennachzug von subsidiär Schutzberechtigten nach Deutschland kommen können.

Wie viele nachzugsberechtigte Angehörige tatsächlich einen Antrag stellen, sei weder bekannt noch schätzbar, heißt es vonseiten des Bundeskabinetts. Eine Schätzung lieferte eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) im vergangenen Herbst: Auf Grundlage einer Befragung von Geflüchteten sowie von statistischen Daten, die unter anderem die Alters- und Familienstruktur miteinbeziehen, prognostiziert das IAB, dass maximal 50.000 bis 60.000 Angehörige zu subsidiär Schutzberechtigten und etwa 100.000 bis 120.000 zu anerkannten Flüchtlingen ziehen könnten. Insgesamt also maximal 180.000 Angehörige.

Was sagen die Kritiker*innen?

„Der Wert der Familie kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden – in jeder Kultur, zu jeder Zeit“, sagt Dominik Bartsch und bezieht sich dabei auf die restriktive Politik in puncto Familiennachzug. Dominik Bartsch ist Repräsentant des UNHCR Deutschland. Auch er erklärt, dass niemand wissen kann, wie hoch der Bedarf tatsächlich ist. „Klar ist aber, dass er über den 1.000 liegt“. Zudem sei eine Unterscheidung zwischen anerkannten Flüchtlingen und subsidiär Geschützten problematisch, „weil es beim Wert der Familie, gerade auch für die Integration, keinen Unterschied gibt“, so Bartsch weiter.

Eine Kritik, die auch von anderen Organisationen geteilt wird, so zum Beispiel von der Menschenrechtsorganisation PRO ASYL, die davon ausgeht, dass insbesondere Menschen betroffen sind, die vor dem Bürgerkrieg in Syrien flüchten müssen: „Assad ist es gleichgültig, ob es sich bei den Geflüchteten um Kriegsflüchtlinge oder in Europa anerkannte GFK-Flüchtlinge handelt“, bringt es der Geschäftsführer Günter Burkhardt auf den Punkt.

Die Sorgen um das Überleben der Angehörigen zerstören laut PRO ASYL zudem Integrationschancen: „Für Familien subsidiär Geschützter ist dies ein unerträglicher Zustand, in dem die Angehörigen noch im Krisengebiet oder Flüchtlingslagern ausharren müssen, und die Betroffenen in Deutschland in ständiger Sorge um ihre Familie leben. Trennung von Familienmitgliedern, die im Herkunftsland oder auf dem Fluchtweg zurückgeblieben sind, ist für die Betroffenen sehr belastend und nicht selten traumatisierend. Die Familieneinheit ist entscheidend dafür, dass Integration gelingt“, heißt es vonseiten der Menschenrechtsorganisation.

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