Big Data im Gesundheitswesen: Internationaler Workshop in Zagreb

13 Nov 2018
Big Data im Gesundheitswesen: Internationaler Workshop in Zagreb
Juristin Athina Sachoulidou, Foto: Anna Küch

Algorithmen verändern in einem rasenden Tempo die Welt und gewinnen auch im Gesundheitsbereich an Bedeutung. Denn gerade gesundheitsbezogene Daten sind sensibel. Was passiert derzeit auf dem Gesundheitsmarkt? Welche Chancen ergeben sich für Medizin und Forschung? Wie kann die Technologie kompetent genutzt werden? Darüber diskutieren die Teilnehmer des Tutzinger Diskurses mit Experten aus Kroatien, Serbien, Griechenland und Bulgarien.

Im Mittelpunkt des Workshops, der in Kooperation mit dem Zentrum für Bioethik der Universität Zagreb stattfindet, steht der Austausch. Es geht um eine Definition von Gesundheitsdaten, um ihren Schutz, und immer wieder um die Frage, wann die Grenze zwischen Patient und Konsument verschwindet.

Toxisches Wissen bei Gentests

Valentina Kanewa, Professorin für Philosophie an der Universität Sofia spricht über die großen ethischen Herausforderungen, die Gentests mit sich bringen. Dürfen, sollen oder müssen Ärzte Patienten über Zufallsbefunde, nach denen sie gar nicht gesucht haben, aufklären? Was ist wenn feststeht, dass der oder die Untersuchte in 30 Jahren unheilbar erkranken wird?

Vor allem bei pränatalen Gen-Tests, die Schwangere machen können, wird die Diskussion heikel. Ein einfacher Bluttest reicht mittlerweile aus, um festzustellen, ob das ungeborene Kind genetische Anomalien hat. Auch hier gibt es immer die Möglichkeit von Zufallsbefunden, die für werdende Eltern zu extremer Verunsicherung führen. In Studien sprechen werdende Mütter von einem toxischen Wissen. Viele erwarten sich Hilfe, um die Befunde richtig einzuordnen. Da genetische Tests zum Normalfall in der Klinik werden, muss darüber debattiert werden, wie man mit den Ergebnissen umgeht. Auch Politik und Gesellschaft müssen in die Diskussion stärker einbezogen werden.

Das Island-Experiment

Aglaya Denkova, Doktorandin an der Universität Sofia, wirft in ihrem Vortrag einen Blick auf Island. In wohl keinem anderen Land der Welt ist die Ahnentafel einer ganzen Bevölkerung bis zu den Anfängen der Besiedlung so gut erhalten. Im Buch der Isländer, dem Íslendingarbók, sind die verwandtschaftlichen Linien festgehalten. Hier kann jeder nachschauen, von wem er abstammt. Drei findige Studenten der Universität von Island haben eine App entworfen, die mit genau diesen Daten arbeitet. Sie soll den Isländern helfen, Inzest zu vermeiden. Haben beide Partner die App installiert, stößt das Telefon einen Warnton aus, falls das Verwandtschaftsverhältnis zu eng ist.

Das Buch der Isländer kann von jedem isländischen Staatsbürger oder legalen Einwohner darüber hinaus online abgerufen werden. Die App stellt die Daten den Isländern auf ihren Mobiltelefonen zur Verfügung – und fügt die Anti-Inzest-Funktion hinzu.

Selbst Informatiker verlieren den Überblick

Predrag Pale, Informatiker der Uni Zagreb, weist darauf hin, wie mächtig mittlerweile Computer sind. Handykameras können die Herzfrequenz messen. Das funktioniert über die durch den Pulsschlag ausgelösten Helligkeitsschwankungen. Könnten die Kameras in Zukunft also auch erfassen, wie der Gemütszustand ihrer Besitzer ist, ob er aufgeregt ist und einen höheren Pulsschlag hat oder entspannt? Hat der einzelne Nutzer überhaupt noch Kontrolle darüber, welche Programme über seinen Computer laufen? Wo er welchen Datenabdruck hinterlässt? Informatiker Predrag Pale bezweifelt das.

Wem gehören die persönlichen Daten?

Über diese Frage wird in Zagreb immer wieder diskutiert. Rechtlich ist das schwierig, wie die Juristin Athina Sachoulidou ausführt, die derzeit am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz forscht. Es gibt kein homogenes Dateneigentum, sondern nur einen Flickenteppich verschiedener Schutzrechte. Grundlage ist, dass jeder das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hat. Das kann zum Beispiel durch eine Einwilligung geschehen, die erlaubt, personenbezogene Daten zu verarbeiten. Das ist bei Big-Data-Anwendungen aber heikel. Denn die Einwilligung muss sich auf eine konkrete Datenverarbeitung beziehen. Oft wird aber bei Big-Data-Analysen erst nach der ursprünglichen Einwilligung ein neuer Analysezweck festgelegt. Das macht das Procedere kompliziert. Denn eigentlich müsste der Nutzer dann ja nochmal gefragt werden. Ob die Einwilligung also tatsächlich das richtige Instrument ist, ist mehr als fraglich.

Von Anna Küch

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