(K)eine Asylpolitik auf Österreichisch

01 Mrz 2018
(K)eine Asylpolitik auf Österreichisch
Beratung im Wiener Integrationshaus, Copyright: Lukas Beck

Die österreichische Integrations- und Asylpolitik wird durch die neue Bundesregierung zunehmend restriktiver. NGOs aus dem Asyl- und Fluchtbereich kämpfen weiterhin für eine Unterstützung Geflüchteter und kritisieren die Vorhaben der Regierung. So auch das Wiener Integrationshaus, das bereits seit 1995 Asylsuchende beim Ankommen in Wien unterstützt.

Auf der einen Seite: Die Unterbringung von Asylbewerber*innen in Massenunterkünften. Die Umstellung der GrundversorgungWährend des Asylverfahrens erhalten Asylbewerber*innen in Österreich die Grundversorgung. Dazu zählen Versorgungsmaßnahmen wie Unterbringung, Verpflegung, Taschengeld, Krankenversicherung oder Schul- und Bekleidungsbedarf.
von Geld- auf Sachleistungen. Die Einschränkung der Bedarfsorientierten MindestsicherungDie Bedarfsorientierte Mindestsicherung ist eine Sozialleistung in Österreich zur Armuts-Bekämpfung. Sie ist für Personen vorgesehen, die über keine angemessenen finanziellen Mittel verfügen, um ihren Lebensunterhalt ausreichend decken zu können. Bis dato zählen auch anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte (in den meisten Bundesländern) als Anspruchsberechtigte. für Geflüchtete. Und generell: Das Ende der illegalen Migration. Das sind nur einige der Vorhaben, die die österreichische Bundesregierung in der Asyl- und Integrationspolitik umsetzen will.

Auf der anderen Seite: Zahlreiche NGOs, die sich auch weiterhin für eine Unterstützung von Geflüchteten einsetzen und eben diese Vorhaben scharf kritisieren. So auch das Wiener Integrationshaus. Bereits seit 1995 leistet das Integrationshaus Arbeit in der Unterbringung von Asylbewerber*innen, berät zu Themen wie der Bildungs- und Arbeitsmarktteilhabe und bietet Schulungen sowie Kinderbetreuung an.

Eine Arbeit, die aufgrund der aktuellen politischen Lage zunehmend schwieriger wird. „Wir setzen uns tagtäglich für den Schutz Geflüchteter ein und kämpfen für ihre soziale Sicherheit. Dabei sehen wir, dass Integration funktioniert, wenn man es will. Für die aktuelle Regierung scheint die Integration jedoch kein Ziel zu sein“, kritisiert Andrea Eraslan-Weninger die derzeitige Asyl- und Integrationspolitik. Die ausgebildete Sozialarbeiterin ist von Beginn an Geschäftsführerin des Integrationshauses und kämpft nach wie vor für eine menschliche Asylpolitik.

„Bundesregierung will Isolation statt Integration“

Zum Beispiel im Bereich Wohnen: Im vergangenen Jahr wurden vom Integrationshaus 2.732 Personen in der Beratungsstelle unterstützt. Die meisten von ihnen sind in Privatwohnungen in Wien untergebracht. Das Integrationshaus selbst setzt auf kleine Unterkünfte. Zum Beispiel durch das Projekt „First Flat“. Hier leben junge Erwachsene, die noch im Asylverfahren stecken, in kleinen Wohneinheiten zusammen. Eine Wohnform, die vor allem all jene Personen unterstützen will, die mit ihrem 18. Geburtstag die meist intensiv betreuten Unterkünfte für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge verlassen müssen.

Oder das Wohnheim des Integrationshauses in der Wiener Leopoldstadt: Rund 110 Bewohner*innen leben hier in kleinen Privatwohnungen zusammen. Im Mittelpunkt stehen dabei besonders schutzbedürftige Geflüchtete, Opfer von Folter und Gewalt, Traumatisierte oder auch Alleinerziehende. Betreuer*innen und Psycholog*innen unterstützen unter anderem bei der Abwicklung der Grundversorgung, der Organisation des Zusammenlebens und bieten psychologische Betreuung an. Es sei ein Praxisbeispiel gelebter Solidarität, erklärt Eraslan-Weninger.

Und es sind genau jene Arten von Unterkünften, die auch wichtig für die so oft eingeforderte Integration sind. Doch genau diese Unterbringungsform soll es künftig nicht mehr geben, wenn es nach dem Innenministerium geht. Stattdessen setzt Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) auf die Isolation Geflüchteter von der österreichischen Gesellschaft und spricht sogar von der „konzentrierten Unterbringung“ der Asylbewerber*innen. „Die positiven Entwicklungen scheinen nun gefährdet zu sein, da die neue Bundesregierung Isolation statt Integration will. Man verhindert damit, dass durch Unterstützung seitens der Zivilgesellschaft Beziehungen entstehen, die sich auch durch Solidarität im Falle von drohenden Abschiebungen in Kriegsgebiete niederschlagen“, sagt Eraslan-Weninger.

Die Streichung von privaten Unterkünften und damit die Umstellung auf staatlich organisierte Zentren würde laut Integrationshaus zu Mehrkosten von bis zu 37 Millionen Euro pro Jahr führen. Auf Nachfrage weist Innenminister Kickl diese Mehrkosten „entschieden zurück“. Doch nicht nur das Integrationshaus, sondern auch der Wiener Stadtrechnungshof kommt auf zusätzliche Kosten. Der Grund: Während eine Person in der Grundversorgung 365 Euro erhält, betragen die Kosten für einen Platz im Flüchtlingsheim zwischen 620 und 670 Euro. Über das Jahr gerechnet beträgt die Differenz damit bis zu 3.660 Euro pro Person. Bei rund 10.000 privat wohnenden Anspruchsberechtigten entspricht das einem finanziellen Mehraufwand von 30 bis 37 Millionen Euro.

Integration ohne Existenzgrundlage?

Kritisiert werden von der Integrationshaus-Geschäftsführerin auch weitere Vorhaben der Bundesregierung. Dazu zählen die Umstellung der Grundversorgung auf Sachleistungen sowie die Einschränkungen bei der Bedarfsorientierten Mindestsicherung, die Geflüchtete erst nach fünf Jahren legalen Aufenthalt erhalten sollen. In dieser Zeit bekommen die Betroffenen maximal 520 Euro pro Monat.

„Wie soll Integration funktionieren, wenn die Menschen einer minimalen Existenzgrundlage beraubt werden?“, so die Frage von Eraslan-Weninger. Sich ein menschenwürdiges Leben aufzubauen, würde durch diese Maßnahme erschwert werden. Egal ob es dabei um Fahrtkosten für die Arbeitssuche und Vorstellungsgespräche oder um das Suchen, Mieten und Ausstatten einer Wohnung geht.

Zudem weist Eraslan-Weninger darauf hin, dass diese Einschränkungen weder mit der Genfer Flüchtlingskonvention noch mit EU-Richtlinien vereinbar sind, da diese eine Gleichbehandlung aller in einem Staat lebenden Menschen vorsehen. Diesbezüglich verweist Innenminister Kickl auf die Trennung zwischen Asyl und Zuwanderung: „Asyl bedeutet Schutz auf Zeit und nicht das Recht auf Einwanderung. Die Schritte für Integration sind erst dann erforderlich, wenn ein positiver Asylbescheid vorliegt.“

Maßnahmen ab dem ersten Tag

Wenig überraschend kommt die Geschäftsführerin des Integrationshauses durch ihre jahrzehntelange Erfahrung in der Flüchtlingsarbeit zu einem gänzlich anderen Schluss: „Menschen zum ‚Nichtstun‘ zu verdammen, schadet ihrer Integration. Daher ist es für uns enorm wichtig, Integrationsmaßnahmen ab dem ersten Tag anzubieten.“

Ein Prinzip, das in den vergangenen Jahren auch von der Stadt Wien – unter anderem mit Hilfe von staatlichen Mitteln – in einigen Bereichen umgesetzt wurde: Am Jugendcollege können nicht-schulpflichtige Jugendliche auch während des Asylverfahrens teilnehmen. Das gleiche gilt für Übergangsstufen und Lehrgänge in höheren Schulen. Lehrstellen in Berufen mit Lehrlingsmangel wurden in den vergangenen Jahren zunehmend an jugendliche Asylbewerber*innen vergeben. Auch das Integrationshaus bietet zum Beispiel mit dem Projekt BAJU (Basisbildung für Jugendliche und junge Erwachsene mit Migrationshintergrund) Bildungsangebote für Asylbewerber*innen an. Maßnahmen, die man weiterentwickeln solle, anstatt sie abzudrehen, so Eraslan-Weninger.

Eingebettet scheint die restriktive Asylpolitik in einer gleichzeitigen Schwächung von NGOs zu sein. Das Integrationshaus befürchtet künftig Förderungskürzungen vonseiten des Bundes. „Da es bislang kein Budget der neuen Regierung gibt, wurden auch Förderungen der Bundesministerien noch nicht zugesagt. Da die Weiterfinanzierung aktuell ungesichert ist, müssten Projekte zum Teil eingestellt werden“, erzählt die Integrationshaus-Geschäftsführerin. Und trotzdem bleibt sie auch nach mehr als zwanzig Jahren beim Integrationshaus weiterhin kämpferisch: „Weil diese Regierung für ‚Desintegration und Isolation‘ steht, müssen wir dagegenhalten.“

Text: Valentine Auer

Foto: Beraterin des Integrationshauses mit einer Klientin, Copyright: Lukas Beck

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